Sigmund Graff

132 Zitate, Sprüche & Aphorismen Autor

Die meisten tragen ihr Geld zur Bank, um es vor sich selbst in Sicherheit zu bringen.

Die Menschen lassen sich durch öffentliches Unglück, das in den Zeitungen steht, umso leichter zu einer rührenden Hilfsbereitschaft verleiten, je blinder sie an dem privaten Unglück hinter der nächsten Haustüre vorübergehen. Es reizt sie, sich unter den Tausenden von Opferfreudigen zu befinden, die am öffentlichen Unglücksort registriert werden und dadurch einen Schimmer von Publizität erhaschen.

Die Mentalität der Frauen kommt den Diktatoren entgegen. Sie haben eine Schwäche für die Stärke und begeistern sich leichter für das Recht der Macht als für die Macht des Rechts. Es liegt auf der Hand, daß sie die Achillesferse der Freiheit sind.

Die Mode gestattet es jeder Dame, aufzufallen, ohne als Dame mißdeutet zu werden.

Die Männer ergreifen die Gelegenheiten, die Frauen schaffen sie.

Die Räder der Karriere werden am besten mit dem Fett der Schmeichelei geschmiert.

Die Schönheit hat etwas Statisches. Der Charme leuchtet am eindrucksvollsten in der flüchtigen Bewegung auf.

Die Verantwortlichen der Diktatur sind hartherzig, die der Demokratie harthörig.

Die verbindlichen Leute sind in der Regel die kältesten und rücksichtslosesten.

Die Zahl derer, die wir lieben, läßt sich nicht beliebig vergrößern. In demselben Grade, in dem wir einen neuen Menschen in unser Herz aufnehmen, wird unmerklich ein anderer daraus verdrängt.

Die Zukunft der Religion ist durch das metaphysische Bedürfnis des Menschen gesichert, die der Kirche durch ihre zeremonielle Unentbehrlichkeit, bei Taufe, Eheschließung und Begräbnis.

Die öffentliche Meinung gleicht einem Schloßgespenst: Niemand hat es gesehen, aber alle lassen sich von ihm tyrannisieren.

Dummheit nützt häufiger als sie schadet. Darum pflegen sich die Allerschlauesten dumm zu stellen.

Ein einseitiges Talent fördert unser Vorwärtskommen schon deshalb besser, als das Gegenteil, weil es sich der Welt leichter einprägt und nur den Neid einer einzigen engen Kaste hervorruft.

Ein Journalist wird man um so leichter, je leichter man schreibt, ein Dichter, je schwerer man schreibt.

Ein kluger Arzt runzelt stets die Stirn. Geht der Fall übel aus, hat er damit auf die "höhere Gewalt", geht er gut aus, auf seine bescheidene Kunst aufmerksam gemacht.

Ein Mann hat bei allem, was er tut, ein Ziel im Auge. Eine Frau einen Mann.

Ein Mann schmückt sich nicht für, sondern durch die Frau.

Eine der erstaunlichsten Erscheinungen ist, daß man sich einbildet, von abhängigen Menschen unabhängige Meinungen erwarten zu dürfen.

Eine der schönsten Wendungen unserer Sprache lautet: "Werde mir nicht krank ..." Egoismus und rührendste Fürsorge sind untrennbar darin verschmolzen.

Eine Frau, die ihr "Nein" begründet hat es bereits halb zurückgenommen.

Einen Namen hat man, wenn man keinen Wert auf seine Titel legt.

Einer der verhängnisvollsten Irrtümer ist es, geschickte Redner für ebenso geschickte Politiker zu halten.

Einigkeit macht stark, aber meistens auch blind.

Es gehört zu den öffentlichen Dummheiten, daß man biedere Männer und Frauen aus dem Volk bei den kompliziertesten Kapitalverbrechen an den Richtertisch setzt, während man alltägliche Kleinverfehlungen, für die sie den besten Blick und wohl auch das rechte Herz hätten, durch routinierte Paragraphenkenner erledigen läßt.

Es gibt Festredner, Anklageredner, Entschuldigungsredner, Hetzredner und Besänftigungsredner. Am häufigsten sind die Drumherumredner.

Es gibt nichts Wichtigeres auf der Welt, als die Menschen zum Nachdenken zu bringen.

Es ist bekannt, daß das Fernsehen das Heim zum Vorführungsraum, die Familie zum Publikum und die abendliche Aussprache der Ehegatten zur Farce macht. Es wird den Leuten vermutlich gar nicht soviel Kultur vermitteln können, wie es gleichzeitig vernichtet.

Es ist ein Schönheitsfehler des Kapitalismus, daß er zwar allen die gleiche Chance gibt, geschäftstüchtig zu sein, es aber unterlassen hat, dafür zu sorgen, daß alle auch die gleiche Geschäftstüchtigkeit besitzen, um sie wahrzunehmen.

Es ist nicht einzusehen, weshalb es neben den Rechtsanwälten, die unser Recht durchsetzen wollen, nicht auch Versöhnungsanwälte gibt, die uns Rechtsstreitigkeiten ersparen möchten.

Es ist unverständlich, weshalb man die Veranstaltungen, bei denen Zehntausende müßig, wenn auch nicht still zusehen, wie zweiundzwanzig Mann um einen Lederball kämpfen, einen "Volkssport" statt eine Volksbelustigung nennt.

Es kommt kein Krieg, bevor man die Gräber des vorhergegangenen würdig instandgesetzt, überall Ehrenmale enthüllt und den einstigen Feinden in rührenden Meetings die Hände gedrückt hat. Es muß alles seine Ordnung und sinnvolle Reihenfolge haben.

Gebildet ist, wer Parallelen sieht, wo andere etwas völlig Neues zu erblicken glauben.

Ich kenne niemand, der sich gern einen geborenen Staatsanwalt nennen hört.

Ich sehe die Zeit voraus, in welcher der fernsehfreie Tag nicht nur gefordert, sondern zur Notwendigkeit wird.

Im Urlaub begegnet man fast immer netten Menschen, da jeder sich bemüht, dort anders zu sein als zu Hause. Unsere Urlaubsbekannten lernen wir erst wirklich kennen, wenn sie uns ein halbes Jahr später überraschend besuchen. Es empfiehlt sich, ihnen grundsätzlich eine falsche Adresse zu geben.

In der Not steigern die Menschen ihre guten wie ihre üblen Eigenschaften.

In einem gesunden Volk gibt es fast immer etwas, worüber man sich nicht einigen kann, und nur dadurch wird die Idee der Einigkeit und die Tendenz zu ihr lebendig erhalten.

In jedem Krieg vertreten die Kinder, die ihn noch nicht begreifen, allein die Würde der Menschheit.

Je edler eine Sportart ist, um so weniger hat sie Publikum.

Jede Frau will in der Liebe zuerst das jeweilige Stadium der Annäherung ganz erfassen, bevor sie den nächsten Schritt tut. Nur was für ihr Gefühl reif ist, ist auch für sie moralisch.

Jeder große Erfolg ist ein Triumph des Eigensinns.

Jedes Regime benötigt Helden. Am angenehmsten sind ihm tote.

Junge Menschen reifen durch die Liebe. Reife verjüngt sie. Alle befreit sie von den Banden ihrer Jahre.

Kein Volk denkt an übermorgen.

Keine Frau billigt ihrer Rivalin den Entschuldigungsgrund "Liebe" zu, sondern jede sieht bei ihr nur dieselben infamen Mittel, durch die sie, von der Liebe beschwingt, selbst zum Ziel gelangt ist.

Man denkt nicht, sondern man hat Einfälle und versäumt in der Regel, sie festzuhalten.

Man kann auch Zeit schenken. Die Zeit für einen Brief zum Beispiel. Die Zeit sorgt, daß diese Zeit ein immer selteneres und vornehmeres Geschenk wird.

Man liebt nicht die Freiheit, wenn man nicht den Widerspruch liebt.

Man muß die Jahre wägen, nicht nur zählen.

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