Antoine de Rivarol

58 Zitate, Sprüche & Aphorismen Autor

Aus Vertraulichkeit entsteht die zarteste Freundschaft und der stärkste Haß.

Außergewöhnliche Geister legen oft großen Wert auf Alltägliches und Vertrautes, durchschnittliche Geister schätzen und suchen nur das Außerordentliche.

Außerordentliche Geister legen großen Wert auf Allgemeines und Alltägliches. Gewöhnliche Geister schätzen und suchen nur das Außerordentliche.

Das Schicksal will, dass die großen Begabungen für gewöhnlich eher Rivalen als Freunde sind; sie wachsen und leuchten für sich aus Furcht, einander zu beschatten. Die Schafe müssen sich zusammenrotten, aber die Löwen leben für sich allein.

Das Volk spendet seine Gunst, niemals sein Vertrauen.

Der Bescheidene hat alles zu gewinnen, der Stolze alles zu verlieren: Denn die Bescheidenheit hat es immer mit dem Edelmut und der Stolz mit dem Neid zu tun.

Der schönste Kunstgriff des menschlichen Geistes, die Erfindung von Begriffen, ist die Quelle fast all seiner Irrtümer.

Der Stufengang von Rivalität und Ehrgeiz macht die Harmonie des politischen Körpers aus, vom Handarbeiter bis zum Großgrundbesitzer, vom gemeinen Soldaten bis zum Marschall von Frankreich. In dieser doppelten Hierarchie von Rang und Vermögen eifert jeder ehrgeizig nur dem Nächsthöheren nach, von dem er sich nur durch einen Würde- oder Vermögensgrad unterscheidet. Dieser Ehrgeiz ist sehr vernünftig. Die Philosophen haben nun plötzlich die Extreme zusammengebracht und den Soldaten dem General, den Handarbeiter dem Grundbesitzer gegenübergestellt. Diese Verkehrtheit hat alles umgestürzt.

Der Ungläubige täuscht sich über das jenseitige, der Gläubige über das diesseitige Leben.

Die Adligen von heute sind nur die Gespenster ihrer Vorfahren.

Die außerordentlichen Geister wenden sich vor allem den alltäglichen, vertrauten Dingen zu, während den gewöhnlichen Köpfen nur die außerordentlichen Dinge auffallen.

Die Erinnerung steht immer dem Herzen zu Diensten.

Die Furcht, die mächtigste der Leidenschaften, kann allein dem politischen Körper Bestand und Dauer sichern, ja sein Glück, wenn wechselseitige Furcht zwischen König und Volk besteht. Denn wenn das Volk den König fürchtet, so gibt es keine Aufstand, und wenn der König das Volk fürchtet, keine Unterdrückung.

Die herrliche Fähigkeit des Geistes zur Bildung von Sammelbegriffen ist die Wurzel fast aller seiner Irrtümer gewesen.

Die Herrscher dürfen niemals vergessen, daß die Regierung immer Vater sein muß, da das Volk immer Kind ist.

Die Macht ist die organisierte Gewalt, die Verbindung von Werkzeug und Gewalt. Die Welt ist voll von Gewalten, die nur ein Werkzeug suchen, um Mächte zu werden. Wind und Wasser sind Gewalten; in Verbindung mit einer Mühle oder Pumpe, die ihre Werkzeuge sind, werden sie Macht. Das Volk ist Gewalt, die Regierung Werkzeug; aus der Vereinigung beider konstruiert sich die politische Macht.

Die meisten unsrer Gottlosen sind nur rebellische Frömmler.

Die Moral errichtet ein höheres und fürchterlicheres Tribunal als das der Gesetze. Sie will nicht nur, daß wir das Böse vermeiden, sondern daß wir das Gute tun; nicht nur, daß wir tugendhaft erscheinen, sondern daß wir es seien.

Die Natur mußte notwendigerweise dem Individuum oder der Gattung Dauer verleihen. So verfuhr sie bei den Himmelskörpern und der Sonne nach jenem, bei Lebewesen und Pflanzen nach diesem Plan. Im zweiten Fall mußten die individuellen Formen vergänglich sein, damit die Unsterblichkeit der Gattung gesichert war.

Die Philosophen sind eher Anatomen als Ärzte; sie zerlegen und heilen nicht.

Die Politik gleicht der Sphinx der Fabel: Sie verschlingt alle, die ihre Rätsel nicht lösen.

Die Sprache ist äußeres Denken, das Denken innere Sprache.

Die Weltleute sind mittelmäßig und findig zugleich; denn sie beschäftigen sich viel mit Personen und wenig mit Sachen. Bei Menschen höheren Ranges verhält es sich umgekehrt.

Die zivilisierten Völker sind der Barbarei so nahe wie das bestgeschliffene Eisen dem Rost. Völker wie Metalle glänzen nur an der Oberfläche.

Diejenigen, die nach Wundern verlangen, werden nicht gewahr, daß sie damit der Natur eine Unterbrechung ihrer Wunder abverlangen.

Ein Bürger wird den Vergleich mit einem Schuhflicker mit weniger Verdrossenheit hinnehmen als ein Adliger den Vergleich mit einem Bürger.

Ein geringes Maß von Ehrlichkeit und öffentlicher Moral leuchtet noch in der Welt. Ein Schuft wagt noch nicht, als solcher gelten zu wollen. Er nennt einen anderen so. Alles wäre verloren, wagte er laut zu sagen: Ich bin ein Schuft.

Ein großes Volk im Aufruhr kann nichts als Hinrichtungen vollziehen.

Ein wahrer Philosoph verzeiht seinen Mangel an Vermögen der Gesellschaft mit derselben Ruhe, mit der ein reicher Bankier der Natur seinen Mangel an Geist nachsieht.

Eine der größten Leistungen der Vorsehung ist das Glück der Kinder. Wäre die Welt etwas Gutes, so müßte man die, welche nichts von ihr verstehen, am meisten beklagen.

Es bleibt festzustellen: Das Volk bedarf anschaulicher und nicht begreifflicher Wahrheiten.

Es gibt nichts Häßlicheres als Reichtum ohne Tugend.

Es gibt Tugenden, die man nur ausüben kann, wenn man reich ist.

Es ist die fundamentale Idee der jüdischen Religion, daß Gott die Juden allen Völkern vorgezogen hat. Kraft dieser Idee hat Moses eine eherne Mauer zwischen seinem Volk und allen anderen Völkern errichtet. Ja mehr: Er lieferte dieses unglückliche Volk einer wahren Ächtung durch die Welt aus. Aber durch diesen Haß der Welt sicherte er ihm die Unsterblichkeit. Durch Liebe oder Gleichgültigkeit anderer Völker wären die Juden längst verschwunden.

Frei ist, wer, obwohl gezwungen, tut, was er nötig hat, wie ein Diener dienen muß, um leben zu können. Sklave ist, wer sich zwingen läßt, zu tun, was er nicht nötig hätte.

Hat man vierundzwanzig Stunden früher als die übrigen Menschen recht, so gilt man vierundzwanzig Stunden lang für närrisch.

Hängt die Armee vom Volk ab, so hängt schließlich die Regierung von der Armee ab.

In dem Maße, wie der Aberglaube bei einem Volk abnimmt, muss die Regierung die Vorsichtsmaßnahmen steigern und die Zügel der Autorität und Ordnung straffer ziehen.

In den Wörterbüchern gibt es abgebrauchte Wörter, die auf den großen Schriftsteller warten, der ihnen ihre Energie zurückerstattet.

In einer Armee drückt die Ordnung wie ein Schild, nicht wie ein Joch.

In jedem Freund steckt ein halber Verräter.

Ist ein Mensch wertvoller als sein Besitz, so muss er arm sein; darum scheinen die Reichen so wenig zu gelten; und daher die Vorliebe der Philosophen für die Armen.

Jeder Mensch, der emporkommt, vereinzelt sich. Ich möchte gern die Rangfolge der Geister einer Pyramide vergleichen. Die Untenstehenden entsprechen großen Kreisen und finden viel Gleichgesinnte. In dem Maße, als man höher kommt, entspricht man engeren Kreisen, und der Stein schließlich, der die Pyramide krönt, ist ganz für sich.

Jemand, dem das Schreiben zur Gewohnheit geworden ist, schreibt auch ohne Ideen weiter, wie ein alter Arzt namens Bouvard, der, als er in seinen letzten Zügen lag, seinem Lehnstuhl den Puls fühlte.

Man braucht den Appetit des Armen, um das Vermögen des Reichen zu genießen, den Geist eines Privatmanns, um wie ein König zu leben.

Man braucht des Appetit des Armen, um das Vermögen des Reichen zu genießen.

Man kann die Tiere in geistvolle und begabte Personen einteilen: Hund und Elefant zum Beispiel sind geistreiche, Nachtigall und Seidenwurm begabte Leute.

Man muß scharf unterscheiden zwischen der arithmetischen und der politischen Mehrheit im Staat.

Man muß sich vornehmen, wahr zu sein in all seinen Worten. Bleiben wir kompromißlos diesem Grundsatz treu, so steigern wir unsere Selbstachtung und erwerben Besonnenheit. Die eine Tugend bringt die andere mit sich. Die Verstellung soll nicht über das Schweigen hinausgehen.

Manche Leute haben nichts weiter von ihrem Vermögen als die Furcht, es zu verlieren.

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