Michel Eyquem de Montaigne

96 Zitate, Sprüche & Aphorismen Autor

Hartnäckigkeit und Besserwissen sind etwas Gewöhnliches, die passen am besten zu den niedrigsten Charakteren; dagegen ist es schwer, seine Meinung zu revidieren und sich der besseren Erkenntnis anzuschließen, auf eine als unrichtig erkannte Stellungnahme zu verzichten, wenn man sie eben noch lebhaft verteidigt hat: Das sind seltene Eigenschaften; sie verlangen Kraft und philosophische Haltung.

Ich finde es noch erträglich, stets allein zu sein, als nie allein sein zu dürfen.

Ich finde Sitten und Ansichten der Bauern gewöhnlich richtiger - im Sinne einer wahren Philosophie - als Sitten und Ansichten unserer Philosophen.

Ich glaube, daß unsere Seelen sich bereits mit zwanzig Jahren zu dem Grade entwickelt haben, auf dem sie sein sollen und wo sie alles das versprechen, was sie vermögen. Eine Seele, die in diesem Alter noch keine überzeugende Hoffnung von ihren Kräften blicken läßt, gibt auch später keine Beweise mehr davon.

Ich habe weniger aus Büchern etwas gelernt als mich an ihnen geübt.

Ich suche nach keiner anderen Wissenschaft als der, welche von der Kenntnis meiner selbst handelt, welche mich lehrt, gut zu leben und gut zu sterben.

Ich will dem Betruge seinen Rang nicht nehmen. Das hieße die Welt schlecht verstehen. Ich weiß, daß er sehr oft nützliche Dienste geleistet hat und daß er die meisten Stände der Menschen nährt und erhält.

Ich will lieber geschäftlich als charakterlich versagen.

Jeder, der etwas glaubt, hält es für einen Liebesdienst, andere davon zu überzeugen. Um dies zu bewerkstelligen, scheut er sich nicht, etwas von seiner eigenen Erfindung hinzuzutun, damit er dem Widerstande begegne, den er in der Fassungskraft des anderen voraussetzt.

Jedermann ist bereit, seine Gesundheit, seine Ruhe und sein Leben für Ansehen und Ruhm hinzugeben, und was er da als Zahlung erhält, ist doch die unnützeste, die wertloseste, die falscheste Münze, die es gibt.

Kein Wind ist demjenigen günstig, der nicht weiß, wohin er segeln will.

Keinem Menschen komme es zu, zu befehlen, wenn er denen nicht überlegen ist, denen er befiehlt.

Man muß der Unehrlichkeit oder Unvorsichtigkeit seines Bedienten immer ein wenig Spielraum lassen.

Man soll die Lebensarbeit so lange fortsetzen, wie man kann.

Manchmal ergreift das Altern zuerst den Körper, manchmal aber auch den Geist.

Meine Albernheiten nehme ich selbst nicht wichtiger, als sie es verdienen. Das ist ihr Glück.

Meine Gedanken schlafen, wenn ich sitze. Mein Geist geht nicht, wenn ihn nicht die Beine bewegen. Diejenigen, welche ohne Bücher studieren, werden mit mir übereinstimmen.

Nicht der Tod, sondern das Sterben beunruhigt mich.

Nicht einmal im ganzen Jahre fahre ich über die Fehler meiner Untergebenen auf, aber über ihre Ausflüchte, Entschuldigungen und Verteidigungen.

Nicht nur jedes Land, sondern jede Stadt und jeder Beruf prägt seine besonderen Höflichkeitsformen.

Niemals haben zwei Menschen die gleiche Sache in ganz derselben Weise beurteilt; und es ist unmöglich, zwei Meinungen zu finden, die genau gleich sind.

Niemand ist dagegen gefeit, dass er einmal etwas Albernes sagt. Ärgerlich ist das nur, wenn einer so etwas mit Pathos von sich gibt.

Niemand ist so rechtschaffen, daß er, wenn er alle seine Handlungen und Gedanken dem Gesetz unterwürfe, nicht zehnmal hängen müßte.

Ob wir etwas als angenehm oder unangenehm empfinden, das hängt größtenteils davon ab, wie wir uns dazu stellen.

Philosophieren heißt sterben lernen.

Philosophieren heißt zweifeln.

Selbst die Beständigkeit ist nichts weiter als ein langsameres Hin und Her.

So mancher wurde von der Welt bewundert, an dem seine Frau und sein Diener nichts Bewundernswertes fanden. Wenig Menschen sind noch von ihren Hausgenossen bewundert worden.

Venus und Bacchus sind gerne beisammen, wie das Sprichwort sagt. Bei mir ist Venus munterer, wenn sie von der Nüchternheit begleitet ist.

Vom Gelde zu sagen, was von Caligula gesagt wurde: Es hätte nie einen so guten Sklaven und nie einen so bösen Herrn gegeben wie ihn.

Was anmutig ist, bemerken wir nur, wenn es überspitzt, geschwollen, verkünstelt auftritt: Geht es im einfachen Kleid der Selbstverständlichkeit einher, so wird es von einem groben Blick, wie wir ihn haben, leicht übersehen.

Wenn ein Mann einer Frau verspricht, sie ewig zu lieben, dann setzt er voraus, daß sie immer liebenswert bleiben wird.

Wenn man in mich dringt, zu sagen, warum ich ihn liebte, so fühle ich, dass sich dies nicht aussprechen lässt, ich antworte denn: Weil er er war; weil ich ich war.

Wenn man mich fragt, warum ich reise, antworte ich: Ich weiß wohl, wovor ich fliehe, aber nicht, wonach ich suche.

Wenn wir alles, was wir nicht begreifen, für bedeutungslos erklären, so liegt darin eine gefährliche und folgenschwere Dreistigkeit.

Wer einen wirklich klaren Gedanken hat, kann ihn auch darstellen. Ist der Geist einmal der Dinge Herr, folgen die Worte von selbst.

Wer mit dem Anfang nicht zurechtkommt, kommt mit dem Ende erst recht nicht zurecht.

Wer nichts zu geben hat, der soll zu stolz sein, um etwas zu borgen.

Wer weder widerstehen will noch fliehen - wie ist dem zu helfen?

Wir bestehen aus lauter Äußerlichkeiten; wir denken an das äußere Gebaren und vernachlässigen darüber das Wesentliche.

Wir leben immer in Beziehung auf unsere Mitmenschen; diese unsere Beschaffenheit, sie mag angelernt oder angeboren sein, bringt uns mehr Nachteil als Vorteile.

Wir sind auf dem Mont Cenis dem Himmel nicht näher als im tiefen Meer.

Wir sind dazu geschaffen, die Wahrheit zu suchen; sie zu besitzen ist das Vorrecht einer höheren Macht.

Wir sollten, soweit das von uns abhängt, immer fertig und marschbereit sein.

Wir treiben die Sache, von der wir besessen sind und getrieben werden, niemals gut vorwärts.

Zu Anfang haben wir unser Tun in der Hand, es ist in unserer Gewalt; aber dann, wenn die Sache läuft, führt sie die Zügel und nimmt uns mit, und wir haben zu folgen.

 Top