Georg Christoph Lichtenberg

372 Zitate, Sprüche & Aphorismen Autor

Viele, die über Ablaßkrämerei in der katholischen Kirche lachen, üben sie täglich selbst. Wie mancher Mann von schlechtem Herzen glaubt sich mit dem Himmel ausgesöhnt, wenn er Almosen gibt.

Vieles Lesen macht stolz und pedantisch. Viel sehen macht weise, vernünftig und nützlich.

Vielleicht hält ein höheres Geschlecht von Geistern unsere Dichter wie wir die Nachtigallen und Kanarienvögel: Ihr Gesang gefällt ihnen eben deswegen, weil sie keinen Verstand darin finden.

Vom Wahrsagen läßt sich wohl leben in der Welt, aber nicht vom Wahrheit sagen.

Von dem Ruhm der berühmtesten Menschen gehört immer etwas der Blödsinnigkeit der Bewunderer zu.

Von einem französischen Atheisten, der Esprit hat, wird verlangt, daß er sich nur bei schmerzlichen Krankheiten und auf dem Todbette bekehrt. Unsere hingegen bekehren sich gemeiniglich bei jedem Donnerwetter.

Vorsicht im Urteilen ist, was heutzutage allen und jedem zu empfehlen ist.

Wahrhaftigkeit ist die größte List.

Warum sollte es nicht Stufen von Geistern bis zu Gott hinauf geben und unsere Welt das Werk von einem sein können, der die Sache noch nicht recht verstand?

Was bin ich? Was soll ich tun? Was kann ich glauben und hoffen? Hierauf reduziert sich alles in der Philosophie.

Was heißt "schwätzen"? "Schwätzen" heißt, mit einer unbeschreiblichen Geschäftigkeit von den gemeinsten Dingen, die entweder schon jedermann weiß oder nicht wissen will, so weitläufig sprechen, daß darüber niemand zum Wort kommen kann und jedermann Zeit und Weile lang wird.

Was ist der Mensch im Schlaf? Er ist eine bloße Pflanze.

Was ist wohl die schlechteste und welches ist die schönste Tat, die du in deinem Leben nach deinem Urteil begangen hast?

Was mag wohl die Ursache sein, daß unangenehme Gedanken viel lebhafter schmerzen des Morgens, wenn man erwacht, als einige Zeit nachher, wenn man weiß, daß alles wacht, oder auch wenn man aufgestanden ist oder mitten am Tage oder auch des Abends?

Was man "Herz" nennt, liegt weit tiefer als der vierte Westenknopf.

Weiber, die fünf Jahre gewartet haben, fangen wieder an, aber Musen, die fünf Jahre nicht gesungen haben, singen nie wieder.

Weil er seine eigenen Pflichten immer vernachlässigte, so behielt er Zeit übrig, zu sehen, wer von seinen Mitbürgern seine Pflichten vernachlässigte, um es der Obrigkeit anzuzeigen.

Wenn auch das Gehen auf zwei Beinen dem Menschen nicht natürlich ist, so ist es doch gewiss eine Erfindung, die ihm Ehre macht.

Wenn deine Gegenwart makellos ist, so untersucht man deine Vergangenheit.

Wenn die Erinnerung an die Jugend nicht wäre, so würde man das Alter nicht verspüren. Nur daß man das nicht mehr zu tun vermag, was ehemals vermochte, macht die Krankheit aus.

Wenn die Menschen nicht in Etagen wohnten, so wäre die halbe Erde schon mit Häusern angefüllt, so bauen wir schon in der Luft, wo wir nicht hingehören.

Wenn die Menschen plötzlich tugendhaft würden, so müßten viele Tausende verhungern.

Wenn die Menschen sagen, sie wollen nichts geschenkt haben, so ist es gemeiniglich ein Zeichen, daß sie etwas geschenkt haben wollen.

Wenn die Welt noch eine unzählbare Zahl von Jahren steht, so wird die Universal-Religion geläuterter Spinozismus sein.

Wenn du die Geschichte eines großen Verbrechers liest, so danke immer, ehe du ihn verdammst, dem gütigen Himmel, der dich mit deinem ehrlichen Gesicht nicht an den Anfang einer solche Reihe von Umständen gestellt hat.

Wenn du einmal eine Welt schaffst oder malst, so schaffe und male das Laster häßlich und alle giftigen Tiere scheußlich! So kannst du es besser übersehen. Aber beurteile Gottes Welt nicht nach der deinigen!

Wenn Du glücklich sein willst, so halte Dich um Himmels willen mit Deinem Fuhrwerk auf der Chaussee, denn sonst riskierst Du, daß Dir die Pfaffen die Pferde ausspannen.

Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen, und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buch?

Wenn eine Betschwester einen Betbruder heiratet, so gibt das nicht immer ein betendes Ehepaar.

Wenn ich einen Nagel einschlage, nur um etwas anzuheften, so denke ich immer: Was wird geschehen, ehe ich ihn wieder herausziehe?

Wenn ich Kinder und Geld hätte, so schickte ich sie bis ins 15. Jahr nach England, bis ihnen das Selbstdenken habituell würde und ihr natürlicher Verstand gesichert wäre und durch unsere polyhistorischen Schwatzmethoden nicht mehr verdorben werden könnte.

Wenn jemand alle glücklichen Einfälle seines Lebens sammelte, so würde ein gutes Werk daraus werden. Jedermann ist wenigstens des Jahres einmal ein Genie.

Wenn Leute ihre Träume aufrichtig erzählen wollten, da ließe sich der Charakter eher daraus erraten als aus dem Gesicht.

Wenn man die Menschen lehrt, wie sie denken sollen, und nicht ewighin, was sie denken sollen, so wird auch dem Mißverständnis vorgebeugt.

Wenn man Mitleid fühlt, so fragt man nicht erst andere Leute, ob man es fühlen soll.

Wenn man viel selbst denkt, so findet man viel Weisheit in die Sprache eingetragen.

Wenn Religion der Menge schmecken soll, so muß sie notwendig etwas vom Hautgout des Aberglaubens haben.

Wenn uns einmal ein höheres Wesen sagte, wie die Welt entstanden sei, so möchte ich wohl wissen, ob wir imstande wären, es zu verstehen. Ich glaube nicht.

Wenn unsern Pädagogen ihre Absicht gelingt, ich meine, wenn sie es dahin bringen können, daß sich die Kinder ganz unter ihrem Einfluß bilden, so werden wir keinen einzigen recht großen Mann mehr bekommen.

Wenn wir die Aufmerksamkeit auf schwache Empfindungen vermehren lernen, so können sie uns den Dienst von starken tun.

Wenn wir nur die Kinder dahin erziehen könnten, daß ihnen alles Undeutliche völlig unverständlich wäre.

Wenn wir von einem weisen Wesen auf diese Stelle gestellt worden sind, woran kein Zweifel ist, so laßt uns das Beste in dieser Situation tun und uns nicht durch Offenbarungen blenden, die alle betrügerisch sind. Was der Mensch zu seiner Glückseligkeit zu wissen nötig hat, das weiß er gewiß ohne alle Offenbarung.

Wer aus England nach Holland kommt, glaubt aus einer Gesellschaft wohlerzogener Offiziere unter Tamboure und Profosse versetzt zu sein.

Wer eine alte Tante zu beerben gedenkt, der mache ja keine Satiren auf Frauenzimmer über fünfzig, aber desto derbere auf alle unter vierzig.

Wer gegen sein Gesinde gut ist, ist meistens im Grunde gut. Man verstellt sich nicht leicht gegen Leute, die man für ihre Dienste bezahlt.

Wer in sich selbst verliebt ist, hat wenigstens bei seiner Liebe den Vorteil, daß er nicht viele Nebenbuhler erhalten wird.

Wer nichts als Chemie versteht, versteht auch die nicht recht.

Wer recht sehen will, was der Mensch tun könnte, wenn er wollte, darf nur an die Personen denken, die sich aus Gefängnissen gerettet haben oder haben retten wollen. Sie haben mit einem einzelnen Nagel so viel getan wie mit einem Mauerbrecher.

Wer sich sein eigenes Leiden klagt, klagt es sicherlich vergeblich. Wer es der Frau klagt, klagt es einem Selbst, das helfen kann und schon durch die Teilnahme hilft.

Wer sich selbst recht kennt, kann sehr bald alle anderen Menschen kennenlernen. Es ist alles Zurückstrahlung.

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