Walther Rathenau

83 Zitate, Sprüche & Aphorismen Autor

"Die reinste Freude ist die Schadenfreude." Ihr lachet über dies verruchte Wort? Ihr solltet alle Tränen eurer Seele weinen, daß es ausgesprochen werden konnte!

Alle Begeisterung ist transzendent.

Alle Künste sind androgyn. Außer der Kunst des Denkens.

Alle Weltverbesserung ist Utopie.

Aller Verstand muß sich zuletzt im Unwesentlich-Wirklichen verlieren. Die träumende Phantasie allein findet den Aufstieg zum Wesentlich-Wahren.

Alles Abbild des Essentiellen, des Transzendenten und Ewigen im Spiegel des menschlichen Geistes ist unveränderlich und gleich, von Mose bis Plato, von Lionardo bis Goethe: Hier waltet keine Originalität. Originell ist nur das Menschliche: Die Trübung.

Bei denen, die lange beten, ist keine Gnade.

Charakter ist der Inbegriff des bewussten und unbewussten Willens.

Danksagung erhebt, Gebet erniedrigt.

Das beste am Journalismus ist, daß er die Neugier tötet.

Das bewußte Denken unterscheidet sich vom unbewußten und traumhaften Denken wie die Kantilene von der Fuge. Das Bewußte besteht darin, daß eine der Stimmen - der Gedanke - vom Willen hervorgehoben und losgelöst wird, so daß die anderen Stimmen als leise Begleitung verblassen. Das Unbewußte denkt die verschiedenartigsten Elemente mit gleicher Intensität zu gleicher Zeit.

Das Denken ist der Prozeß, durch den die niederen Instinkte in hohe Instinkte verwandelt werden.

Das höchste Glück des Menschen ist die Befreiung von Furcht.

Das Lachen, dem vitalen Menschen ein reiner Naturlaut der Freude, ist dem Klugen nur eine Reaktion auf Witzempfindung. Das heißt: Auf schnell erkannte Inkongruenz in der Maske der Identität: Eine halbe Schadenfreude.

Das ursprüngliche Herdenwesen der Menschentiere besteht noch heute, und zwar auf dem Gebiet des Geistes. Wie ehemals das Rudel auf einem Nahrungsplatz solange verharrte, bis das sensitive Speciment sich auf neue Fährten wagte, so bewegt sich die Menge in gleichbleibenden Denkformen, bis ein Unbefriedigter, Instinktbegabter neue Weideplätze des Geistes sucht und findet.

Das zweckhafte Weib ist das furchtbarste aller Zwitterwesen.

Den Tadel der Menschen nahm ich solange gerne an, bis ich einmal darauf achtete, wen sie lobten.

Denken heißt Vergleichen.

Der Furchtmensch ist scheu und unruhig. Seine hastigen, an Störung gewöhnten Freuden sind kurz. Deshalb braucht er Abwechslung. Der Reichtum seines Lebens ist nicht Tiefe sondern Mannigfalt.

Der Glaube zieht alle Transzendenz zur Wirklichkeit herab.

Der Katholizismus trägt noch Züge einer Religion. Protestantismus und Judentum sind Lehren.

Der Mutmensch kennt den Zorn, der Furchtmensch die Wut und den Ärger.

Die Abneigung der Juden gegen die Germanen war in der Zeit der materiellen Bedrückung lebhaft, ja leidenschaftlich. Seit zwei bis drei Menschenaltern stirbt sie ab und weicht bei den jüngeren Geschlechtern einer rückhaltlosen Anerkennung der Nation, der sie den wertvollsten Teil ihrer Geistesgüter verdanken.

Die Entfesselung aus den Banden des Nationalismus aber wird nicht sowohl durch Kongresse und Schiedsverträge geschehen als durch wirtschaftliche Verständigung.

Die Klage über die Schärfe des Wettbewerbs ist in Wirklichkeit meist nur eine Klage über den Mangel an Einfällen.

Die Phantastik der Phantasielosen ist Ethik.

Die Religion kann erst dann wieder zur Kulturmacht werden, wenn sie sich von aller Zweckhaftigkeit frei macht. Zu dieser gehören Glaube und Erlösung.

Die sakrale Gotik ist eine Architektur der Ebene. Um sich mit der Natur in Kontrast zu setzen, mußte sie die Höhendimensionen betonen.

Die Schicksalsstunde webt nicht über Schlachten und Konferenzen, Brand und Löschung, sondern über der Bauhütte, über ihren Meistern und Gesellen, dem Geheimnis ihres Grund- und Aufrisses und dem Geist ihrer Gemeinschaft.

Ein Drittel, Vielleicht die Hälfte der Weltarbeit geht auf, um der Menschheit Reizungs- und Betäubungsmittel, Schmuck, Spiel, Tand, Vergnügungen und Zerstreuungen zu schaffen, deren sie zur Erhaltung des leiblichen, zur Beglückung des seelischen Lebens nicht bedarf, die vielmehr dazu dienen, den Menschen dem Menschen und der Natur zu entfremden.

Ein Kunstwerk wird auf den Genießenden nicht mehr Seelenstimmung übertragen, als bei seiner Schöpfung aufgewendet wurde.

Eleganz ist gemeisterte Verschwendung.

Entrüstung ist Bekenntnis der Hilflosigkeit.

Es gibt kein größeres Sakrileg, als vom Zweck des Lebens oder Zweck der Welt zu sprechen. Es gibt nirgends einen Zweck als in der Verderbtheit.

Es gibt nur ein Gebet. Das lautet: Hinan!

Es kommt mir so vor, als ob ich nichts aus mir heraus willkürlich tun kann, als ob ich geführt werde, sanft, wenn ich mich füge, rauh, wenn ich widerstehe.

Es lachen nur die geistig Tiefstehenden und die geistig Hochstehenden. Die Mittelschicht mit geübtem Verstand und geschwächtem Instinkt lacht nicht.

Es steht uns bevor die Zeit des Erkennens und der Grausamkeit. Nach ihr kommt die Zeit des Begreifens und der Liebe.

Freundschaften schließen sich nur in der Jugend, wo die Domination der Interessen über das gemeine Leben noch nicht begonnen hat, oder zwischen ausgezeichneten Individuen, bei denen eine Trennung des Interesses vom Ideal nicht stattfindet.

Genie ist der Verdichtungspunkt latenter Massenkräfte.

Gerechtigkeit entspringt dem Neide; denn ihr oberster Satz ist: Allen das Gleiche.

Gäbe es einen Moment, wo wir Gott ganz und durchaus lieben könnten, so bräche die Welt zusammen.

Ich habe niemals einen wirklich großen Geschäftsmann gesehen, dem das Verdienen die Hauptsache war.

Im Alter waren wir jung. Im Neuen werden wir alt sein.

In den Jugendjahren eines jeden deutschen Juden gibt es einen schmerzlichen Augenblick, an den er sich zeitlebens erinnert: Wenn ihm zum erstenmal bewußt wird, daß er als ein Bürger zweiter Klasse in die Welt getreten ist und keine Tüchtigkeit und kein Verdienst ihn daraus befreien kann.

In Deutschland entscheiden über einen Menschen nicht Vorzüge, sondern die Einwände. "Einwandfrei" muß der Mensch sein und die Sache "tadellos". Einwandfrei aber ist nur die klare, runde, tadellose Null.

In jedem starken menschlichen Gefühl ist sein Gegenteil enthalten. Im Ausbruch der Verzweiflung verkündet sich der Trost, im Jubel lauter die Verzweiflung.

In unserer Zeit sind die verschwindenden Aristokratien die letzten Reste der oberen Schichtung. Bald ist die Homogenität erreicht - ein Zeichen, daß wir reif sind, zu erobern oder erobert zu werden.

Individualität ist das, was mich von der Welt absondert, Liebe ist das, was mich mit ihr verbindet. Je stärker die Individualität, desto stärker erfordert sie Liebe.

Intuitionen sind Träume, deren man sich erinnert.

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